Prof. Günter Brakelmann hat als Vorbereitung für die Veranstaltung ein Kalendarium der Jahre 1965 bis 1969 erstellt. RUB Kalendarium 1965 – 1969
Begrüßung Roland Ermrich
“Wir wollten die Republik auf den Kopf stellen” Wie 1968 wirklich war und was uns das über unsere Zukunft sagt!
Dies ist gewiss ein mehr reißerischer Titel, Aber, was wollten wir auf den Kopf stellen? Da gibt es einiges zu nennen.
- z.B. Die Kriege der Franzosen gegen die Algerier und der Amerikaner gegen die Vietnamesen. Sie machten die westliche Moral suspekt,
- Das Bildungssystem, es musste radikal geändert werden. Die Mitbestimmung für Schüler, Lehrlinge und Studenten sollten erkämpft werden,
- Der Muff von 1000 Jahren sollte auf allen Lebensgebieten nicht mehr in Kauf genommen werden,
- Dies alles besonders an den Universitäten, Transparenz und Herstellung von Öffentlichkeit,
- die Notstandsgesetzte nach Bildung der Großen Koalition
- und was die deutsche Studentenbewegung von anderen Unterschied: Die Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit der Elterngeneration.
Wir, das war eine Bewegung, keine Partei mit einer Programmatik. Es war die Aufbruchsstimmung, der Wunsch und Wille zur gesellschaftlichen Veränderung, die uns zusammenhielt und zu gemeinsamen Handlungen führte. Was ist dabei herausgekommen? Ich meine, Apologien sind langweilig. Die Erfolge von 68 liegen irgendwo zwischen dem Satz „ohne sie lebten wir noch wie unter Adenauer“ und der These, dass 68 nur eine Randerscheinung eines sowieso kommenden gesellschaftlichen Umbruchs war.
Von allen Seiten wird allerdings anerkannt, dass die Studentenrevolte zu der Modernisierung und der Stabilisierung der Republik beigetragen habe. Da sind außerdem zu nennen. Die Frauenbewegung oder die Veränderung in der Kindererziehung, die mit den Kinderläden begann. Oder die Änderungen in den Lebensformen, Verhaltensnormen, in der Bildung und in der Sozialpolitik. Diese Behauptung „von allen Seiten“ muss ein wenig eingeschränkt werden. Erzkonservative behaupten, 68 habe mehr Werte zerstört als das Dritte Reich. So Kai Dieckmann in seinem Buch „der große Selbstbetrug“ über die 68ziger. Allerdings kann eine Zerstörung der Werte empirisch in keiner Weise festgestellt werden. Oder Reinhold Michels in der Rheinischen Post vom .. 2015 „ ein 68ziger ist ein Mensch, der der die eigene Postpubertät für die bedeutendste Wende der Weltgeschichte hält und heute von einer üppigen Staatspension lebt“. Abgesehen davon, dass die „Staatspensionäre“ lediglich eine radikale Minderheit darstellen – das soziale Spektrum reicht auch hier von “ehemaliger Vorstand eines DAX Konzerns” bis zur “Altersarmut” – kenne ich keinen Weggefährten, der in der Siegestoga eines 68ziger Revolutionärs herumstolziert. Typisch ist eher Selbstironie, sarkastische Tonlage und – heute gilt das was – gute Laune. Und die narzisstische Mitgift von 68, die Selbstachtung gestehe ich dankbar ein. Vielmehr interessiert mich das Unerledigte: Was hält 69 aktuell? Dieser Frage wollen wir heute Abend nachgehen.