Rede zur Er\u00f6ffnung der Ausstellung ‘Wir Gr\u00fcnderstudenten’ im Stadtarchiv Bochum, am 1. Oktober 2015<\/p>\n

Guten Abend, meine Damen und Herren! Ich danke Frau Dr. W\u00f6lk und Roland Ermrich, dass Sie mir die Gelegenheit geben, heute hier ein paar Worte zur Ausstellung \u00fcber die Gr\u00fcndungsphase der Ruhr-Universit\u00e4t Bochum zu verlieren.
\nDie Ausstellung ist durch individuelles Engagement, vor allem von Roland Ermrich, zustandegekommen und mit Hilfe der fabelhaften NRW-Stiftung, deren Vertreter und Ehrenpr\u00e4sident, Herr Kniola, uns heute die Ehre seiner Anwesenheit gibt. Auch von mir einen herzlichen Gl\u00fcckwunsch in alle Richtungen! Ich bin dem tapferen Stadtarchiv Bochum, der NRW-Stiftung, der Ruhr-Universit\u00e4t und dem Ausstellungsmachen lange verbunden, und wohl dem, der sich in dieser Konstellation bewegen darf! Und ich trete hier in zwei Rollen auf: Als Historiker der Zeitgeschichte Bochumer Provenienz und \u2013 das Alter bringt es so mit sich \u2013 als Zeitzeuge. Die zweite Rolle ist noch etwas ungewohnt, und es ist durchaus fraglich, ob man sich daran gew\u00f6hnen sollte. Manchmal f\u00fchrt das ja zu nicht enden wollenden Tiraden, in deren Mittelpunkt der Sprecher selber steht. Wenn ich das heute vermeiden k\u00f6nnte, w\u00e4re ich f\u00fcr Sie froh. Weil ich die Ur- und Fr\u00fchgeschichte der Universit\u00e4t nicht erforscht habe \u2013 was ich wei\u00df, wei\u00df ich durch die Ausstellung \u2013 bin ich auf die Rolle des Zeitzeugen zur\u00fcckgeworfen. Mit einem kleinen Vorteil: Ich habe in dieser fraglichen Zeit keine tragende Rolle gespielt, war bei vielem dabei, aber unterhalb des Radars der historischen Bedeutsamkeit. Und das ist die Perspektive, aus der ich berichten kann, mit allen Fehlstellen und M\u00e4ngeln, die sie aufweist.<\/p>\n

Im April 1966 fuhr ich als junger Mann (21 Jahre alt) mit meinem Fiat 500 (dessen T\u00fcren \u00f6ffneten sich nach vorn) aus Gerthe kommend, an den Opel-Werken (die Opel-Werke! Ein scheinbar gelingendes Beispiel des Strukturwandels!) vorbei, Richtung S\u00fcden, zur Universit\u00e4t. In Gerthe drehten sich noch die Seilscheiben der Zeche Lothringen, und die Kokerei entlie\u00df D\u00e4mpfe in die Luft, deren Duft ich noch Jahre danach in der Nase hatte, und der f\u00fcr mich, immer wenn ich mich dem Ruhrgebiet geografisch n\u00e4herte, so etwas wie ein olfaktorisches Synonym meiner neuen Heimat war. Die Kragen meines Nyltesthemdes (ich besass deren zwei, musste also abends eines waschen) zierten schwarze R\u00e4nder, ohne dass ich mir den Vorwurf mangelnder Hygiene h\u00e4tte machen m\u00fcssen. In Gerthe war ich in einem winzigen Apartment im Souterrain untergekommen. Die Studentenheime, das staatliche und das Roncalli (nicht nach dem Zirkus, sondern nach dem Papst) waren voll belegt. Mein Vermieter war dem Aufruf an die Bochumer Bev\u00f6lkerung nachgekommen, den Studierenden ‘Buden’ zu \u00fcberlassen \u2013 sein Schaden war es nicht, als handwerklich begabter Bergbaufr\u00fchrentner hatte er die selbst Bleibe hergerichtet. Sp\u00e4ter kam ich, obwohl anthroposophischer Neigungen nicht verd\u00e4chtig, im Hardenberg-Haus unter. Dort wohnten, horribile dictu, m\u00e4nnliche und weibliche Studierende auf dem selben Flur! Bei mir f\u00fchrte dies zu einer Ehe. Das Verdeck des Fiat 500 hatte ich ge\u00f6ffnet, die Sonne schien in den Wagen \u2013 ein Gl\u00fccksgef\u00fchl \u00fcberstr\u00f6mte mich, ich kann mich genau erinnern: Der Bundeswehr und der Ostwestfalen-Metropole Bielefeld entkommen (was schlimmer war, weiss ich nicht zu sagen), f\u00fchlte ich mich so frei wie noch nie in meinem Leben.<\/p>\n

Die Zukunft und vor allem die Ruhr-Universit\u00e4t tauchten vor mir auf. Oder was von ihr damals, im Fr\u00fchjahr 1966, schon stand: Die zwei Schiffe, die Geb\u00e4ude IA und IB, davor zwei aufgeworfene Parkpl\u00e4tze, die sich im Laufe der Zeit immer mehr f\u00fcllten. Etwa ein Drittel der Studenten fuhr in dieser Zeit mit dem Auto zur Uni, die \u00f6ffentlichen Verkehrsverbindungen waren ganz schlecht. Zwischen IA und IB erstreckte sich eine absch\u00fcssige Rasenfl\u00e4che, auf der die Studenten in der Sonne lagerten. Ich kam mit einem ins Gespr\u00e4ch – wir siezten einander. (Mit ihm habe ich dann den Rest meines Studiums abgewickelt.) Es ging auch um die Wahl des Studienfaches. Ich schwankte zwischen Jura und Volkswirtschaft, schlie\u00dflich entschied ich mich f\u00fcr F\u00e4cher, in den ich die besten Abiturnoten hatte: Deutsch und Geschichte, auf Lehramt, einen anderen akademischen Beruf kannte ich nicht. Meine Eltern waren keine Arbeiter \u2013 wie die so vieler meiner Kommilitonen, aber auch keine Akademiker. Ein Stipendium gab es f\u00fcr mich nicht; die Abfindung von der Bundeswehr reichte f\u00fcr das Grundstudium. Ich war auch nicht aus dem Ruhrgebiet wie so viele, sondern hatte in Bielefeld nach f\u00fcnf Wohnorten in ganz Deutschland, Abitur gemacht. Was ich damals noch nicht wu\u00dfte: Ich war auf der Suche nach einer Heimat. Das entdeckte ich erst Jahre sp\u00e4ter und diese Entscheidung war klar. Der Geruch von Kokereien ist verschwunden, aber ich habe ihn noch in der Nase. Meine Entscheidung f\u00fcr Bochum als Studienort war nicht zuf\u00e4llig. Ich hatte vorher Marburg und T\u00fcbingen einen Besuch abgestattet, um herauszufinden, wo ich studieren wollte. In Marburg begegneten mir am hellichten Tag farbentragende Korpsstudenten auf der Strasse. Marburg kam also nicht infrage. T\u00fcbingen war eine Uni mit einem Ort drumherum, nichts als Studenten. Ich wollte an eine Universit\u00e4t ohne die alten Z\u00f6pfe akademischen Brauchtums und ich wollte in eine Stadt mit einer Universit\u00e4t und nicht umgekehrt. Also Bochum.<\/p>\n

Die Fakult\u00e4t f\u00fcr Geschichtswissenschaften war, das habe ich damals noch nicht erkannt, mit den besten jungen Professoren ihres Fachs besetzt, und als Hans Mommsen (er war Mitte dreissig) noch dazu kam, war die Qualit\u00e4t erreicht, von der ich mein ganzes Berufsleben gezehrt habe. Das Grundstudium in Geschichte war, dank eines engagierten ‘Mittelbaus’ (einige sind hier jetzt anwesend, Dieter Scheler und Klaus Fr\u00f6hlich sei Dank!) sehr innovativ, fordernd und gemeinschaftsbildend.
\nWir waren wenige, es gab kaum \u00fcberf\u00fcllte Seminare und Vorlesungen \u2013 eine privilegierte Pioniersituation. Als ich nach f\u00fcnf Semestern glaubte, ich m\u00fcsse, das machte man damals so, an eine andere Uni, nach Freiburg, ging, erlebte ich dort Seminare mit ein paar hundert Teilnehmern und Vorlesungen, in die man wegen \u00dcberf\u00fcllung nicht hineinkam. Ausserdem fuhren \u2013gef\u00fchlt \u2013 alle Kommilitonen einen VW Cabrio, mit dem sie nicht zur Uni, sondern an den Titisee oder in den Kaiserstuhl fuhren. Ich fand Freiburg viel zu sch\u00f6n und fl\u00fcchtete nach einem Semester nach Bochum zur\u00fcck. Das Ruhrgebiet ist einfach zu wahr, um sch\u00f6n zu sein. Die Bochumer Uni bot die besten Arbeitsbedingungen und den besten Lehrk\u00f6rper, jedenfalls in meinem Fach. Und ich empfand auch die Architektur nicht als lebensfeindlich, sondern sehr praktisch – kurze Wege, die Pr\u00e4senz-Fach-Bibliothek im Geb\u00e4udekern, mit Arbeitspl\u00e4tzen an den Fensterseiten.<\/p>\n

Der einzige l\u00e4ngere Weg f\u00fchrte an IA und IB vorbei durch Kleing\u00e4rten und Maschendrahtz\u00e4une zur Mensa. Und man brauchte die legend\u00e4ren Gummistiefel, wenn man sie bei Regen trockenen Fu\u00dfes erreichen wollte. Das Essen war nicht erinnerungsw\u00fcrdig, aber das sonstige Leben in ihr sehr wohl. Ich erinnere mich an mit Flugbl\u00e4ttern \u00fcbers\u00e4te Tische, jedes Gr\u00fcppchen, das sich nach der ersten ‘anarchischen’ Phase der Studentenbewegung gebildet hatte, hielt uns \u00fcber die Entwicklung des Studiums, der b\u00fcrgerlichen Gesellschaft (damals als ein Schimpfwort), des Kapitalismus, des Imperialismus im allgemeinen und im besonderen auf dem Laufenden.<\/p>\n

Was ich damals nicht wu\u00dfte: Das war der Motor der Demokratisierung der Stickluft-Republik Deutschland und der Humus einer neuen B\u00fcrgerlichkeit jedweder Couleur, die heute gerade aus der Politik ausscheidet und in der Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen hat \u2013 und ich finde, \u00fcberwiegend positive. B\u00fcrgersinn, Selbstorganisation, Gemeinwohlorientierung, demokratisches und tolerantes Verhalten wurden damals einge\u00fcbt \u2013 selbst wenn die Texte auf den Flugbl\u00e4ttern noch vor unverdauter Ideologie und leichtsinniger Aggressivit\u00e4t strotzten und, heute gelesen, mir eine G\u00e4nsehaut herbeischauert. Und von dem Irrsinn, der bis in die RAF f\u00fchrte, m\u00f6chte ich hier nicht sprechen. Ich spreche von der \u00fcberw\u00e4ltigenden Mehrheit meiner Kommilitonen und Kommilitoninnen. Dieser Weg war mit Umleitungen, Irrt\u00fcmern und \u00c4ngsten schwer genug. Der Lernprozess der Verb\u00fcrgerlichung begann, und sp\u00e4testens mit Willy Brandt, so war es jedenfalls bei mir, f\u00fchlte sich ein gro\u00dfer Teil meiner Generation ‘angekommen’, als Teil einer Gesellschaft, die wir vorher als autorit\u00e4r, eng, den Nationalsozialismus noch nicht \u00fcberwunden habend und geradezu als feindselig empfunden hatten.<\/p>\n

In der Fakult\u00e4t f\u00fcr Geschichtswissenschaft konnte man Themen behandelt sehen,
\ndie es damals noch an kaum einer anderen Universit\u00e4t im Lehrstoff gab: F\u00fcr mich waren es der Nationalsozialismus und die Arbeiterbewegung. Die Sozial- und Alltagsgeschichte, gar die der Frauen, selbst die des Holocaust, waren noch in weiter Ferne. Ausgerechnet in dem Bielefeld, aus dem ich kam, wurden sp\u00e4ter die neuen Paradigmen geschmiedet \u2013 oder gewebt, wie es orts\u00fcblich heissen m\u00fc\u00dfte. Die Fakult\u00e4t war in der Professorenschaft zwar mit auch traditionell denkenden Hochschullehrern besetzt, aber eben auch mit solchen, die man im damaligen Verst\u00e4ndnis des Wortes als ‘progressiv’ bezeichnen konnte. Es gab sie noch, die akademischen Hierarchien, mit dem Ordinarius (an Frauen war in dieser Zeit nicht zu denken) an der Spitze und einer Schar von Assistenten und akademischen R\u00e4ten, die wie Herolde ihrer gro\u00dfen Meister f\u00fcr den Tafelanschrieb in den Seminaren verantwortlich waren. Die Anrede ‘Herr Professor’ wurde benutzt, ja geradezu eingefordert. Die Wahl zu einem Gremium in der Vollversammlung der Fakult\u00e4t, die zu leiten mir zugefallen war, machte es n\u00f6tig, die Vertreter der Professoren namentlich an die Tafel zu schreiben. Es brauchte Courage, die Professorentitel dabei wegzulassen. Einer erhob sich erregt und bestand darauf. Unter dem Gel\u00e4chter der Versammlung setzte ich lediglich vor seinen Namen den Titel. Das waren die kleinen Revolutionen. Doch die Historische Fakult\u00e4t gab sich, ich glaube, als einzige, eine drittelparit\u00e4tische Verfassung: Professoren, Mittelbau und Studenten waren vertreten. Diese Verfassung war haupts\u00e4chlich von Lutz Niethammer (meinem sp\u00e4teren Freund und Chef) geschrieben worden, einem Assistenten von Mommsen, bei dem ich eine Stelle als Hilfskraft innehatte. Diese Drittelparit\u00e4t funktionierte zu unserer Zeit reibungslos, und ich wei\u00df nicht, warum und wann sie abgeschafft wurde. Ich erinnere mich jedenfalls an ausgesprochen vergn\u00fcgliche, kontroverse, aber augenzwinkernde Sitzungen mit dem Dekan, Max Imdahl, einem genialischen Kunsthistoriker, dem seine rheinisch-joviale Art aus allen Knopfl\u00f6chern sprang.<\/p>\n

Ob ich mich damals als ‘politisch’ verstand, kann ich heute gar nicht sagen, in gegenw\u00e4rtigen Ma\u00dfst\u00e4ben, h\u00f6chstens vorpolitisch. Da waren mir einige voraus,
\nderen Namen mir zuf\u00e4llig einfallen: Christoph Z\u00f6pel, Roland Ermrich, Detlef S\u00fc\u00dfmilch, Rainer Duhm, Reinhard Zimmermann. Sie hatten in der Universit\u00e4tspolitik keinen leichten Stand: Der Rektor hiess n\u00e4mlich Kurt Biedenkopf, ein alerter, diskursfreudiger, rhetorisch begabter Mann von Mitte dreissig, dem nicht leicht beizukommen war. (Wenn ich die Zeiten und Personen ein wenig durcheinander gebracht habe, dann ist das der besonderen Epistomologie der Kategorie ‘Erinnerung’ zu schulden. Sie hat stochastische Anteile und wenig chrono-logische Strukturen, das unterscheidet sie von Geschichte als Wissenschaft.) Waren die Rote-Punkt-Aktionen, an denen ich, 5 Leute im Fiat 500, das erf\u00fcllte den Tatbestand der Transportgef\u00e4hrdung, nat\u00fcrlich teilnehm. Waren die Demonstrationen an der Rathauskreuzung, auf dem Marktplatz hinter dem Bahnhof, an der Theaterkreuzung ‘politisch’? Ich jedenfalls erklomm einen der Wasserwerfer und steckte hinter die Frontscheibengitter rote Nelken. Bei der Demonstration am Rathaus wurde ich festgenommen, als ich einen Bus am Weiterfahren hinderte. In der WAZ erschien ein Foto meiner Festnahme, darauf zu sehen war ein v\u00f6llig \u00fcberforderter Polizist, den \u00dcbelt\u00e4ter, der am\u00fcsiert schien, unterhakend. Die Nacht in der Kr\u00fcmmede aber, wo sich die Zellent\u00fcr mit metallenem Klang schloss, werde ich so leicht nicht vergessen. Auch nicht, als es an der Ruhrlandhalle gegen Franz-Josef-Strau\u00df ging und uns der Strahl der Wasserwerfer eigentlich mehr n\u00e4\u00dfte als er uns umwarf.: Vielleicht waren die im Wasserwerfer ja auch gegen Strau\u00df. Und ich vergesse auch nicht, dass wir bei den Demonstrationen gegen die Notstandsgesetze in die Hallen des ‘Bochumer Vereins’ (damals schon Krupp) eindrangen und den verdutzten Arbeitern erkl\u00e4rten, sie m\u00f6gen sich uns doch anschlie\u00dfen, sonst drohe eine R\u00fcckkehr zum Faschismus. Stattdessen wurde die Polizei herbeigerufen, vor deren Anr\u00fccken die meisten von uns \u2013 auch ich – \u00fcber die Fabrikmauern setzten und zum DGB-Haus zur\u00fcckliefen \u2013 vielleicht nahmen wir ja auch die Strassenbahn der Bogestra, wie richtige Revolution\u00e4re eben. Ich habe Berthold Beitz davon bei unseren sp\u00e4teren Begegnungen nicht ein Sterbensw\u00f6rtchen erz\u00e4hlt. Betr\u00fcbt war ich \u00fcber den Umstand gewesen, dass ich zur Anti-Springer Demo in Essen nicht hatte mitfahren k\u00f6nnen. Ich hatte in einem Seminar ein Referat zu halten \u2013 so banal lagen die Dinge, die Revolution musste warten. Das Thema hie\u00df: ‘Barbarendarstellungen auf r\u00f6mischen M\u00fcnzen’, ein packendes Thema. Doch Spass beiseite, der Anlass dieser Demonstration war traurig genug. Als ich von meiner Freiburg-Exkursion nach Bochum zur\u00fcckkehrte hatte sich in der politischen Landschaft der Studentenschaft alles ver\u00e4ndert: Kleine und kleinste Gr\u00fcppchen hatten sich gebildet, die einander spinnefeind waren und ‘Gro\u00dfe Politik’ spielten. Das war nicht meine Welt des mit gro\u00dfem Spa\u00df Aufbegehrens, des Ein\u00fcbens von Individualit\u00e4t, des Wider-den-Stachel L\u00f6ckens jeglicher autorit\u00e4ren Anmassung. Ich trat keiner Gruppierung bei, noch nicht einmal dem SHB. Stattdessen einer gro\u00dfen Volkspartei und einer Gewerkschaft, die der Bergarbeiter, aus Sympathie mit diesem Beruf und dieser Mentalit\u00e4t. Ich wollte dort organisiert sein, wo die Arbeiter organisiert waren. Ich habe die Arbeiterschaft nie als revolution\u00e4res Subjekt idealisiert, sondern sie als bed\u00e4chtig und f\u00fcr Reformen k\u00e4mpfend erlebt.<\/p>\n

Es ist in der Regionalgeschichte des Ruhrgebiets eine g\u00e4ngige Meinung, die Gr\u00fcndung der Ruhr-Universit\u00e4t (und die anderen Hochschulen) und deren nachhaltige Existenz, sei einer, wenn nicht der, Hauptfaktor des Strukturwandels im Ruhrgebiet gewesen. Sicher war sie der Beginn eines sozialen Wandels: Eine neue Schicht betrat die B\u00fchne der Gesellschaft. Im Ruhrgebiet mit seiner schwach ausgepr\u00e4gten B\u00fcrgerlichkeit und seiner fl\u00e4chendeckenden Proletarit\u00e4t, vor allem in der Emscherzone, erlebte das Entstehen eines neuen sozialen Stratums: Das Arbeiterkind mit Hochschulabschluss, weder reich (hier sagt man: nix anne F\u00fc\u00dfe) noch bildungsb\u00fcrgerlicher Tradition verhaftet, aber jetzt was im Kopp \u2013 ‘Ausbildungsb\u00fcrgertum’ nenne ich es, Tenfelde vertrat eine \u00e4hnliche Auffassung. Kurz vor der Gr\u00fcndung der Ruhr-Universit\u00e4t, die ja, wie ich in der Ausstellung gelernt habe, bis in das Jahr 1962 zur\u00fcckgeht, 1958, muss als das Schl\u00fcssel-Jahr bezeichnet werden. Die Zechenschlie\u00dfungen begannen und waren nicht mehr auf die Auskohlung der Bergwerke zur\u00fcckzuf\u00fchren, das war ein gewohntes Ereignis, weiter n\u00f6rdlich wurde ja eine neue Zeche aufgemacht. Erst ganz allm\u00e4hlich d\u00e4mmerte Politik und Bev\u00f6lkerung, dass es um viel mehr ging; und es dauerte mehr als eine Generation, bis diese Tatsache klar im Bewu\u00dftsein angelangt war. Ob die Historiker an den neuen Universit\u00e4ten, die sich endlich auch mit der Geschichte des Ruhrgebiets befassten, dazu beigetragen haben, kann mit Fug bezweifelt werden.
\nAber sie haben allein durch ihre Regionalforschungen, mit ihrer Besch\u00e4ftigung mit dieser Region, ich nenne nur Mommsen, Reulecke, Niethammer, Tenfelde, zur Selbstbewu\u00dftheit und dem wachsenden Selbst-Bewu\u00dftsein des Ruhrgebiets beigetragen und Studierende ausgebildet, die diese Haltungen weitergetragen haben. Einiges m\u00fcndete davon in die Bochumer Bibliothek des Ruhrgebiets, in die IBA, in die Kulturhauptstadt, und das darf ich vielleicht auch sagen: In das Ruhr Museum \u2013 s\u00e4mtlich waren sie im wissenschaftlichen Beirat des Museums vertreten. Indem ich mich f\u00fcr den Focus ‘Geschichte’, der mir nat\u00fcrlich am gel\u00e4ufigsten ist, entschuldige, schlie\u00dfe ich damit, wie wichtig die Arbeit des Bochumer Zentrums f\u00fcr Stadtgeschichte ist, und wie wichtig solche Ausstellungen, so klein sie sind.<\/p>\n

Traditionen begr\u00fcnden, ist die eine Sache, r\u00fcckhaltlose Aufkl\u00e4rung und daraus erwachsende Zukunftsgewissheit die andere. Es fehlt noch an Forschung zur Geschichte der Ruhr-Universit\u00e4t in der Bildungslandschaft des Ruhrgebietes. Und vielleicht fehlt es an der Universit\u00e4t, bei aller Entwicklung in Richtung auf die globale Vernetzung und internationale Standards an einem Bewu\u00dftsein, in welchem regionalen und sozialen Umfeld sie agiert und es eben auch massgeblich ver\u00e4ndert hat. Hier ende ich mit dem im Ruhrgebiet bekannten Gru\u00df aller Oberb\u00fcrgermeister: Gl\u00fcckauf!<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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