[vc_row][vc_column width=”1\/3″][vc_custom_heading text=”Die erste Immatrikulation” google_fonts=”font_family:Montserrat%3Aregular%2C700|font_style:400%20regular%3A400%3Anormal”][vc_column_text]Am ersten Tag der Einschreibung hatten sich zahlreiche Pressevertreter eingefunden, um den ersten Studenten an der neuen Universit\u00e4t vorzustellen. Ihre Berichterstattung ging weltweit durch die Medien. Der erste Student hie\u00df \u201eFranz-Josef K\u00f6nig\u201c. Wir konnten\u00a0Franz-Josef bis heute leider nicht ausfindig machen.[\/vc_column_text][\/vc_column][vc_column width=”1\/3″][vc_single_image image=”4029″ img_size=”medium” alignment=”center” style=”vc_box_outline” img_link_large=”yes”][vc_single_image image=”4027″ img_size=”medium” alignment=”center” style=”vc_box_outline”][\/vc_column][vc_column width=”1\/3″][vc_single_image image=”4028″ img_size=”medium” alignment=”center” style=”vc_box_outline” img_link_large=”yes”][vc_single_image image=”3999″ img_size=”medium” alignment=”center” style=”vc_box_outline” img_link_large=”yes”][\/vc_column][\/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Bericht von Volker von Tiedemann<\/strong><\/p>\n

Wie ich beinahe der erste Student der Ruhr-Universit\u00e4t geworden w\u00e4re<\/p>\n

Am Bahnhof Zoo in Berlin stieg ich in den Interzonen-Nachtzug Richtung Westen. Ich stand vor dem 5. Semester in Philologie und hatte vor,\u00a0 nach Bonn zu wechseln. Auf dem Wege aber wollte ich mir die neue Ruhr-Universit\u00e4t anschauen, die erste Universit\u00e4tsneugr\u00fcndung der Bundes-republik. Am Mittwoch, dem 20. Oktober 1965 in grauer Morgenstunde kam ich Bochum an.<\/p>\n

Um den typischen DDR-Interzonenzug-Geruch loszuwerden, ging ich erst mal in’s Schwimmbad am Hauptbahnhof. Erfrischt und erwartungsvoll fuhr ich mit dem Bus nach Querenburg. Von den geplanten 12 langgestreckten Hochh\u00e4usern der neuen Universit\u00e4t standen erst anderthalb, IA und IB (I f\u00fcr Ingenieurwissenschaften), im Entwurf vorne rechts\u00a0 sozusagen. IB war in den Obergeschossen noch nicht vollst\u00e4ndig ausgebaut, aber in den unteren Etagen bereits Sitz der Uni-Verwaltung.<\/p>\n

Ich folgte den Wegweisern, landete im 1. Obergeschoss, trat ein und war geblendet: Scheinwerfer, Fernsehkameras,\u00a0 Fotografen und\u00a0 Journalisten. Ich war v\u00f6llig verbl\u00fcfft. Ein Herr im schwarzen Anzug ging auf mich zu, sch\u00fcttelte mir die Hand, begr\u00fc\u00dfte mich herzlich und sagte: “Sie wollen sich sicherlich immatrikulieren!” Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war v\u00f6llig konsterniert und stellte fest: Man wartete auf den ersten Studenten, man fieberte ihm f\u00f6rmlich\u00a0 entgegen.<\/p>\n

Vorher hatte ich an den \u00fcberf\u00fcllten Universit\u00e4ten in T\u00fcbingen und an der Freien Universit\u00e4t Berlin studiert. Studenten waren dort Massenware.\u00a0 Daher war ich v\u00f6llig \u00fcberw\u00e4ltigt von so viel Willkommensfreude. Ich musste Herrn Gesthuisen, den Verwaltungsleiter, der das Empfangskomitee leitete, entt\u00e4uschen: Ich wollte mich nicht immatrikulieren. Ich wollte mich nur orientieren. Ich hatte noch gar nicht vor, in Bochum zu studieren. Ich hatte auch gar nicht die erforderlichen Unterlagen dabei.<\/p>\n

Franz-Josef K\u00f6nig war der echte erste Student. Er immatrikulierte sich wenig sp\u00e4ter an diesem Morgen f\u00fcr das Studium der Rechtswissenschaften und schrieb sich damit in die Unversit\u00e4ts-geschichte ein.<\/p>\n

Allerdings – der \u00fcberschw\u00e4ngliche Empfang blieb nicht ohne Folgen. Trotz der unwirtlichen Baustelle schien Bochum heiter und unproblematisch. Unterkunft? Kein Problem – Studentenheime warteten auf Mieter. Mir wurde der Weg gewiesen zu den Anglisten, bei denen ich studieren wollte. Ulrich Suerbaum, der erste ordentliche Professor der RUB, war jung, humorig und von westf\u00e4lischer Unkompliziertheit. Er freute sich \u00fcber studentischen Besuch. Hauptseminar? Nat\u00fcrlich. Nebenerwerb als Studentische Hilfskraft? Kein Problem.<\/p>\n

Ruhr-Universit\u00e4t – das war damals im Oktober 1965 drau\u00dfen viel Matsch und drinnen unglaublich viel Beton, nackte Treppeh\u00e4user, Lifts, lange G\u00e4nge, viele T\u00fcren, Peilschienen, Neonleuchten. Alles war neu, frisch, modern und brutal steril. Stahlskelett-Beton-Fertigbaumontage.<\/p>\n

Aber alle, die dort waren, Professoren, Assistenten, Verwaltungsmitarbeiter, Handwerker, Studenten, alle hatten etwas vor. Es herrschte Pioniergeist, Aufbruchstimmung: die neue Universit\u00e4t mit Leben erf\u00fcllen!<\/p>\n

Um die Geschichte abzuk\u00fcrzen: Ich bin nicht weiter nach Bonn gefahren. Ich mietete ein Zimmer im anthroposophischen Roncalli-Studentenheim in der Laerheidestr., fuhr zur\u00fcck nach Berlin, holte meine Sachen und immatrikulierte mich.<\/p>\n

In Bochum erlebte ich die bewegten sp\u00e4t-60er Jahre und Anfang 70er Jahre, die gro\u00dfe Liebe und den Beginn der Bundesrepublik 2.0. Und so haben wir auch gelebt, im Aufbruch, in Bewegung, experimentierend, demonstrierend, diskutierend. Und – wir haben viel studiert oder genauer: viel gelernt. Nicht in erster Linie in der Universit\u00e4t sondern vom Dasein und Mieteinandersein.<\/p>\n

Und ich lernte ganz andere Menschen kennen, vom P\u00fctt, vom Opel, vom Bochumer Verein, Taubenz\u00fcchter, Handelsvertreter,\u00a0 Steinstaubinvaliden und viele Mitstudenten, h\u00e4ufig im Grunewald bei Albert Drepper, Markstra\u00dfe 139.<\/p>\n

Bochum und das Ruhr-Gebiet waren handfest und haben die Weichen f\u00fcr mein sp\u00e4teres Leben gestellt. Nach meinem Examen habe ich mich von der Philologie verabschiedet. Ich\u00a0 bin nach Berlin zur\u00fcckgekehrt, wurde Kreuzberger und habe mit viel Neugierde und Vergn\u00fcgen in der Planung und Stadtentwicklung dienend als Novize neu angefangen.<\/p>\n

Erst sp\u00e4ter\u00a0 habe ich durch meinen Beruf erfahren, dass die Gewinner des bundesweiten Ideenwettbewerbs f\u00fcr die Ruhr-Universit\u00e4t, die D\u00fcsseldorfer Architekten Hentrich und Petschnigg, ihren Universit\u00e4ts-Entwurf als “Hafen im Meer des Wissens” bezeichneten. So verstand ich schliesslich die Kernidee des Entwurfs\u00a0 f\u00fcr die Ruhr-Universit\u00e4t: langgestreckte\u00a0 Achtgeschosser ankern in Dreiergruppen in Kreuzformation um eine Audimax-Muschel.<\/p>\n

Hentrich hatte internationale Erfahrung und war erfahren in gro\u00dfen Bauaufgaben. Er baute f\u00fcr die Organisation Todt und geh\u00f6rte zum Stab des\u00a0 des Generalbauinspektors Albert Speer. Sp\u00e4ter baute er in der Bundesrepublik im internationalen Stil und pr\u00e4gte mit Bank- und Verwaltungsbauten das Erscheinungsbild der Innenstadt von D\u00fcsseldorf (z.B. Dreischeibenhaus)<\/p>\n

Heute ist dieser “Hafen im Meer des Wissens”, die Ruhr-Universit\u00e4t in Bochum mit 43.000 Studenten die f\u00fcnftgr\u00f6\u00dfte Universit\u00e4t Deutschlands, ein Fl\u00e4chen-Denkmal der technokratischen Moderne der Bundesrepublik und akademisch ausgezeichnet f\u00fcr Zukunftskonzepte in der Endrunde der Exzellenz-Initiative.<\/p>\n

Der Ruhr-Universit\u00e4t eine gute Zukunft und weitere erlebnis-\u00a0 und erkenntnisreiche 50 Jahre!<\/p>\n

 <\/p>\n

Berlin 2015-09-21<\/p>\n

Volker v. Tiedemann<\/p>\n

Falckensteinstr. 45<\/p>\n

1097 Berlin<\/p>\n

tiededirekt@web.de<\/p>\n

030 25042722<\/p>\n

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